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Argumente gegen einen Museumsneubau und für den Erhalt des Nordflügels im Schloss Nymphenburg

1. Eintrag in der Roten Liste

Schloss Nymphenburg ist mit 632 Metern Fassadenbreite der größte Schlosskomplex Europas. Parkburgen, technische Denkmäler, das Wassersystem und nicht zuletzt der 220 ha große Schlosspark hätten den Status Weltkulturerbe der UNESCO verdient. Die überwiegende Mehrheit der Bürger will dieses geschichtsträchtige Kulturgut erhalten wissen. Dies zeigte sich 2018 während des Sammelns von über 2000 Unterschriften für eine Landtagspetition gegen den Neubau sehr deutlich. Das Münchner Forum, Stadtbild Deutschland, das Denkmalnetz Bayern und die Altstadtfreunde München wehren sich gegen den Abriss und Neubau. Nicht umsonst setzte der Verband Deutscher Kunsthistoriker den Schlosskomplex 2021 auf die Rote Liste gefährdeter Denkmäler.

Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg sprach sich bereits im Mai 2017 in einem einstimmigen Beschluss gegen den geplanten Museumsneubau: "Der BA 9 lehnt den vorliegenden Entwurf in seiner Außenwirkung ab und fordert, dass sich der Neubau in seiner Maßstäblichkeit und Materialität in die historische Umgebung einfügt. Proportionen, Gliederung und Farbigkeit sollen sich an den Bestandsbauten unseres kulturellen Erbes Schloss Nymphenburg orientieren."

Das Institut für Genetik ist ein gekonnter Wiederaufbau der 1939 von den Nationalsozialisten zerstörten originalen Bebauung (Kapuzinerbau von Joseph Effner). Vergleiche mit verheerenden Eingriffen im Nymphenburger Nordflügel während der NS-Zeit (Bau des "Deutschen Jagdmuseums") drängen sich auf. Mit einem Aufschrei - auch im Ausland - ist zu rechnen, sobald die Bagger rollen. Für das Ansehen der Staatsregierung und des Kulturstaats Bayern hätte dies negative Folgen.

2. Absurde Planung

Architekt Volker Staab plant, die großzügigen hohen Museumsräume des Museums Mensch und Natur in kleinräumige Büros und Werkstätten umzubauen und den kleinräumigen Institutsbau mit fünf Stockwerken abzubrechen. Ersetzen wird diesen ein - ursprünglich für ein Dinosaurierskelett entworfener - Museumsneubau mit drei Etagen. Statt des Skeletts erwarten den Besucher nun vier breite Wendeltreppen sog. Treppenskulpturen. Neben einer erheblichen Lärmbelastung, führen sie zu einer reduzierten Ausstellungsfläche und schweren Bespielbarkeit des Museums.

3. Artensterben, Klimaschutz und Graue Energie

40 Prozent der CO2-Emmissionen gehen in Deutschland auf die Baubranche zurück. 60 Prozent des Abfallaufkommens ist der Baubranche zuzuschreiben. Seit 2022 gibt es ein von Architekten, Organisationen und Universitäten unterzeichnetes Abrissmoratorium, dessen langfristiges Ziel ist ein Erhalt- und Umbaugebot für Bestandsbauten. Die Bildungseinrichtung BIOTOPIA möchte auf das Artensterben und die Klimaerwärmung aufmerksam machen. Diese Zusammenhänge sind aber längst bekannt, was fehlt, ist konsequentes Handeln. Deshalb muss durch eine klügere Planung das gerade einmal 50 Jahre alte ehemalige Institut für Genetik erhalten werden.

4. Unlösbares Verkehrsproblem

Die Anbindung des geplanten Museums an den öffentlichen Verkehr ist mangelhaft. U- und S-Bahn-Stationen sind kilometerweit entfernt. Parkplätze sind häufig jetzt schon nicht zu finden. Der Parksuchverkehr erstreckt sich längst tief in die anliegenden Wohnviertel. Die Maria-Ward-Straße führt in westlicher Richtung in die Münchner Außenbezirke und ist Teil eines Radschnellweges, der diese mit der Münchner Innenstadt und Schwabing verbindet. Dies wurde am 13. Juli 2018 einem Radfahrer zum tödlichen Verhängnis. Er starb – von Westen kommend – an der Engstelle vor dem geplanten Zugang zu BIOTOPIA. Die vorliegenden Verkehrsgutachten und deren Lösungsansätze sind mangelhaft.

5. Falscher Standort für ein Leuchtturmprojekt

Ein Museum mit angestrebtem internationalem Rang kann im Schlossensemble nicht expandieren. Die Planung zeigt, dass die Flächenansprüche zu einer vergrößerten Kubatur und einem zu schmalen Hof führen. Offenbar gibt es auch zu wenig Depotflächen. Der geplante Museumszugang liegt an einer Engstelle. In unmittelbarer Nähe liegen drei Schulen. Mehrmals täglich frequentieren 1800 Schüler/innen die schmale Maria-Ward-Straße. Hinzu kommen Elterntaxis, Touristen, LKW als Zulieferer von zwei gastronomischen Großbetrieben (Café Palmenhaus und das Café im Botanischen Garten) sowie die landwirtschaftlichen Maschinen der Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg und des Botanischen Gartens. Schloss und Park verzeichnen seit Jahren neue Besucherrekorde. BIOTOPIA soll zwei bis dreimal so viele Besucher anziehen als das heutige Museum Mensch und Natur. Das unmittelbar benachbarte Gartendenkmal Schlosspark Nymphenburg mutiert dabei zum "Natur-Kultur-Quartier". Dabei leiden "dessen Flora und Fauna längst an massiver Übernutzung", was vom Leiter der Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg bei einer Diskussionsveranstaltung am 15. September 2019 offen erklärt wurde.

6. Denkmalrechtliche Aspekte

Trotz Änderung des Denkmaleintrags im Dezember 2016 unterliegt der gesamte Schlosskomplex weiterhin dem Ensembleschutz. Zudem ist das Institut für Genetik nicht allein Ensemblebestandteil, wie das Landesamt für Denkmalpflege als die zuständige Fachbehörde glauben macht. Nymphenburg ist nach korrekter Auslegung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes nicht nur ein Ensemble, sondern insgesamt (Einzel-) Baudenkmal. Dies hat Folgen für die Denkmaleigenschaft der einzelnen Teile sowie für die Erlaubnispflicht des Bauvorhabens. Der Abbruch des Gebäudes Maria-Ward-Straße 1a ist damit nämlich Beseitigung eines Bestandteils der Schloss- und Parkanlage, ferner des Schlossgebäudes Nymphenburg. Alle Ergänzungen oder Veränderungen, auch das Institutsgebäude aus den 1960er Jahren, sind der Denkmaleigenschaft des Gesamtbestandes zugewachsen (wie z.B. neue Dachziegel oder Fenster an einem Denkmal).

7. Zu teuer

Die Negierung des Bestandsbaus und Denkmalensembles, die frühe Fokussierung auf einen Neubau, sowie die enorme Preissteigerung im Bausektor führen dazu, dass die 2014 geschätzten Kosten explodieren. Inzwischen geht man von mehr als 200 Millionen, d. h.  einer etwa dreifachen Summe aus. Diese Ausgabe ist angesichts des enormen Renovierungsstaus bei staatlichen Bauten, der ökonomischen Folgen der Pandemie und des sich ausweitenden Ukraine-Krieges politisch nicht mehr vertretbar.

Fazit:

Die Einbeziehung des grundsolide als Backsteinbau erstellten Instituts für Genetik in ein erweitertes Naturkundemuseum wäre eine nachhaltige, kostengünstige und populäre politische Entscheidung. Neben dem Münchner Forum, dem Verband Deutscher Kunsthistoriker, Stadtbild Deutschland, dem Denkmalnetz Bayern, den Altstadtfreunden München und der Bürgerinitiative Gemeinsam für Schloss Nymphenburg sind direkte Anwohner gegen dessen Abriss aktiv. Standortalternativen für ein umfassendes Naturkundemuseum als "Leuchtturmprojekt internationalen Rangs" könnten sein:

  • die Paketposthalle mit bester Verkehrsanbindung direkt an der S-Bahn-Stammstrecke.
  • das leerstehende Landesamt für Maß und Gewicht. (Es befindet direkt gegenüber dem Botanischen Garten an einem parkähnlichen Grünzug mit etwas besserer Anbindung.)

Sollte der Standort im Schloss Nymphenburg beibehalten werden, wäre ein Umzug der Grundschule Maria Ward ins ehemalige Institut für Genetik eine dritte Variante. Das dann aber kleine und feine Naturkundemuseum ohne Leuchtturmanspruch bekäme einen gefahrlosen, weithin sichtbaren Zugang über den Ostflügel des Schlosskomplexes (heute Eingang zur Grundschule Maria Ward).